Tödlicher Freigang
Zellenkontrolle, eine Aufgabe im täglichen Einerlei als Justizvollzugsbeamtin. Maria zog ihre Handschuhe an und betrat die Zelle II515. Die Gefangenen waren beim Sport, niemand würde sie stören. Schon beim Betreten des Raumes nahm sie den Alkoholgeruch wahr. Das Zellenfenster war mit der braunen Wolldecke, die jeder Insasse beim Einzug erhielt, verhängt. Nicht ungewöhnlich bei Außentemperaturen von 35 Grad Celsius, jedoch war hier etwas anders, sie spürte Gefahr. Sie ging auf das Fenster zu, um die Decke abzunehmen, da sah sie ihn, den zerbrochenen Einwegrasierer, aus dem die Klinge entfernt worden war. Augenblicklich war sie in Alarmbereitschaft. Sie spürte etwas ganz nah hinter sich, fuhr herum und musste den Kopf in den Nacken legen. Sergej Supulev starrte ihr direkt in die Augen. »Warum bist du nicht beim Sport?«, sagte sie leise. Der Kahlköpfige mit den eingefallenen Wangen stand direkt vor ihr, in blauer Knastarbeitshose und weißem Feinrippunterhemd. Eine riesige Spinne war vom Schlüsselbein über den Hals bis zum Ohr tätowiert. Sie prüfte seinen Blick, um zu erkennen, ob er gerade auf Heroin war. Jahrelange Arbeit mit süchtigen Gefangenen hatte ihre Wahrnehmung geschult. Maria erfasste die Situation sofort, er war betrunken, die Alkoholfahne schlug ihr ins Gesicht, seine Feindseligkeit war spürbar, sie strömte geradezu aus seinen Poren, doch da war es schon zu spät. Ohne Vorwarnung griff Supulev nach ihrem Zopf und riss brutal ihren Kopf nach hinten…